Supervision macht Spaß, entlastet und professionalisiert die Businesscoach-Arbeit. Nach einer internationalen Studie von Hawkins und Turner (2017) nehmen derzeit im weltweiten Durchschnitt 83 % der aktiven Businesscoaches Supervision in Anspruch. Doch der Mittelwert täuscht: in Großbritannien und Europa ist Supervision bei Coachingprozessen weit verbreitet (GB: 92 % beziehungsweise Europa: 81 %) in Nordamerika ist Supervision deutlich weniger etabliert (48 %). Da die Coachingverbände vollkommen zurecht zunehmend Supervision einfordern, wird die Tendenz zunehmen.

Welche Formen werden unterschieden?

Grundsätzlich kann Supervision in Einzel- und mehr Personen- Settings unterschieden werden. Zudem kann sie regelmäßig oder Anlass bezogen in Anspruch genommen werden. Es kann unterschieden werden, ob die Supervision im Rahmen einer Coaching Ausbildung als Lehr- oder Ausbildungs- Supervision, oder praxisbegleitend nach dem formalen Ausbildungsabschluss in der fortlaufenden Coaching Praxis erfolgt.

Einzelsupervision: ein Coach sucht einen Supervisor mit gegebenenfalls spezieller Zusatzausbildung. In diesem dynamischen Setting bespricht er seine Coachingprozesse oder thematisiert anlassbezogen schwierige Fälle, wenn er sich selbst belastet fühlt oder nichtweiterkommt.

Gruppensupervision: eine Gruppe trifft sich in regelmäßigen Abständen unter der Leitung eines externen Supervisors, um gemeinsam die Beratungspraxis zu betrachten. Eine Gruppensupervision wird dadurch definiert, dass die Supervisanden in der Regel keine berufliche Beziehung zueinander haben. Sie kommen freiwillig zusammen.

Intervision: treffen sich Coaches ohne einen externen Supervisor, spricht man von kollegialer Supervision oder von Intervision. In diesem Setting stellen sich Coaches einander Fragen und suchen gemeinsam nach Lösungen für konkrete Probleme. Intervention unterscheidet sich von bloß informellem kollegialem Austausch durch den Kontrakt, miteinander ein kollegiales Beratungsverhältnis über einen Zeitraum X verbindlich einzugehen.

Welche Wirkung hat Supervision?

Supervision wirkt entwicklungsbezogen, unterstützend, und qualitätssichernd und macht Spaß, weil diese drei Funktionen für Menschen, die diesen Beruf gewählt haben, ungemein belohnend sind.
Bei der entwicklungsbezogenen Funktion steht das Lernen durch Feedback im Vordergrund. Der Coach entwickelt seine Fach- und Prozesskompetenz weiter.

Die unterstützende Funktion von Supervision wird durch Entlastung, Klärung der eigenen Wahrnehmung, Psychohygiene erreicht. Der Coach kommt aus emotionalen Verstrickungen heraus und kann dadurch wieder an seine Ressourcen anknüpfen. um seine Rolle als Coach wahrnehmen zu können.

Die qualitätssichernde Funktion von Supervision besteht darin, dass die Qualität des Coachings in den Blick genommen und professionelle, auch ethische Standards reflektiert werden. Hier berichten Coaches, dass sie durch die Supervision besser mit ethischen Problemen umgehen können. Zudem verfügten sie auch in schwierigen Konstellationen über mehr Durchhaltevermögen qualitativ hochwertiges Coaching abliefern zu wollen und heikle Themen im Coaching Prozess nicht zu vermeiden, sondern anzusprechen (Passmore; McGoldrick (2009)

Jeder, der einmal emotional verstrickt in einem Coachingprozess festsaß, kennt den entlastenden Effekt, wenn auf einmal Zusammenhänge deutlich werden, blinde Flecken ausgeleuchtet werden. Der dann einsetzende Belohnungsaspekt ist für Menschen, die sich der Entwicklungsbegleitung verschrieben haben, ein besonderer Motivationsbooster.

Diese Erkenntnisse sind auf Plausibilitätsniveau und abgeleitet aus der eigenen 30 jährigen Supervisions- und Coachingpraxis sofort einleuchtend. Aber: im Gegensatz zur Supervision der Psychotherapie gibt es keine aussagekräftigen empirischen Studien zur Wirksamkeit der Supervision bei Coaching Prozessen.

Es gibt aber ein Supervisionsmodell, das aus unserer/meiner Sicht hervorragend geeignet ist, einen Arbeitsrahmen für systemische Supervision und gleichzeitig auch einen tragfähigen Forschungsrahmen herzustellen. Hawkins & Shohet, 1989; Hawkins & Smith, 2013): das Siebenäugige Prozessmodell der Supervision von Coachingprozessen.

Das Modell ist gekennzeichnet durch einen explizit systemischen Zugang zum Supervisionsprozess. Es nimmt das Zusammenspiel zwischen dem Supervisionssystem (Supervisor – Coach) mit dem Coachingsystem (Coach – Coachee in den Blick sowie das zugrundeliegende System des aktuell bestehenden sozialen, gesellschaftlichen Kontextes ergibt.

Damit ergeben sich sieben Denkperspektiven:

1. der Coachee
Hier geht es darum, den Coachee als Person, das von ihm formulierte Problem und Anliegen sowie die Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen zu reflektieren.
Nicht nur das was wird thematisiert auch das wie der Coachee sein Anliegen eingebracht hat. Ziel ist es Hinweise auf unbewusste Themen zu erhalten, die in der Supervisionssitzung exploriert werden können.

2. die Intervention des Coaches
Im Hinblick auf die Intervention des Coaches werden die verschiedenen Interpretationen und Interventionen des Coaches während der Coaching Sitzung reflektiert. Coach und Supervisor beleuchten mögliche alternative Interventionen und ihre jeweiligen Auswirkungen. Hier geht es häufig um Interventionen derer ein Coach unsicher ist. Es geht auch um Situationen, wo der Coach das Gefühl hat, nicht weiter zu kommen.

3. die Beziehung zwischen Coach und Coachee
Eine gute Arbeitsbeziehung ist ein wesentlicher Schlüssel für den Coachingerfolg. Die Reflexion der Beziehungsdynamik zwischen Coach und Coachee wird in der Supervision unterstützt. Es geht darum, die blinden Flecken in der Interaktion zu analysieren. Der Supervisor hilft, eine neutrale Beobachterposition für das Handeln des Coaches zu organisieren´. Der Coach kann von außen auf die Coach – Coachee – Beziehung schauen. Dadurch werden bewusste und unbewusste Anteile deutlich.

4. die Person des Coaches
Auch die Reflektionen des Coaches über sich selbst ist Teil der Supervision. Coaches sollten mit Unterstützung des Supervisors darüber nachdenken, welche Gefühle und Impulse, Verhalten und Themen des Coachee bei Ihnen selbst auslöst. Damit können sie sich besser als Instrument zur Kommunikation nutzen. Vielleicht unausgesprochene Themen werden besprechbar. Nicht zuletzt werden auch eigene Blockaden geklärt, die den Coaching Prozess behindern.

5. Spiegelprozesse (Projektion, Übertragung, Gegenübertragung, Hypnoide)
Bei Spiegelprozessen wird davon ausgegangen, dass sich bestimmte Dynamiken ungewusst und unbewusst in der Coachingsituation herstellen, die sich auch im Alltag des Coachees immer wieder ergeben: ein bestimmtes Verhalten des Coachee erzeugt eine ähnliche angespannte Situation mit dem Coach wie sie sich im beruflichen Alltag des Coachee immer wieder ergibt. Ziel der Supervision ist es, auf diese sich – möglicherweise- wiederholende Muster aufmerksam zu machen. Damit weitet sich der Möglichkeitsraum des Coaches im Umgang mit dem Coachee und ganz unerwartete Effekte werden möglich. Aus einem Teufelskreis wird vielleicht eine Glücksspirale.

6. die Selbstreflektion des Supervisors
Die Selbstreflektion des Supervisors ermöglichen, meint, dass der Supervisor über seine eigenen Impulse, Gefühle Gedanken, Fantasien im Hier und Jetzt der Supervisionssitzung realisiert und diese in die Supervision einbringt. Auch dies kann den Coachingprozess bereichern.

7. der größere systemische (Organisationale gesellschaftliche Kontext.
Hier gilt die Konzentration dem größeren Kontext: wie wird Coaching in dem Unternehmen angesehen? wie ist der organisationale Rahmen, wer wollte das Coaching und warum? Mit wem wurde der Coachingvertrag geschlossen?

Der systematisch-systemische Blick des 7-Augen Supervision-Modells verhindert, dass Fragen und Probleme fälschlicherweise individualisiert werden.

Verfasst von Dr. Rüdiger Klepsch

Literatur

Hawkins,P. & TurnerE. .(2017):The rise of coaching supervision 2006-2014. Coaching an International Journal of heory, Research, and Practice. https://doi.org/10.1080/17521882.2016.1266002

Passmore,J. & McGoldrick,S. (2009)Super-vision,extra-vision,, or blind faith? A grounded theorystudy oft he efficacy of coaching supervision. International Coaching Psychology Review,4, 143-159 Hawkins,P.; Smith,N. (2013): Coaching, mentoring, and organizational consultancy:supervioson and development (2.Aufl.) Maidenhead:Open University Press

Hawkins,P.; Shohet,R.(1989). Supervision in the helping professions.Buckingham:Open University Press Freundliche