Manchmal geht es mit der Karriere ganz schnell: Ein Mitarbeiter wird befördert – und ist plötzlich der Chef seiner alten Kollegen. Für beide Seiten eine heikle Situation. Systemische Managementberater Rüdiger Klepsch verrät, wie man sie meistert.

Eine Beförderung ist eine schöne Sache. Und trotzdem bringt sie Veränderungen mit sich, die nicht immer einfach sind – vor allem dann, wenn sich neue hierarchische Strukturen ergeben. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Mitarbeiter des Teams Projektleiter wird. Auf einmal wird aus dem ehemaligen Kollegen ein Vorgesetzter. Für beide Seiten eine heikle Situation.

In der Regel hat eine Führungskraft das fachliche und das disziplinarische Weisungsrecht. Sie kann nicht nur Anweisungen geben, sondern auch die Umsetzung und Befolgung kontrollieren und Sanktionen verhängen, wenn den Anweisungen nicht gefolgt wird: Abmahnungen auf den Weg bringen, etc.

Aber will man das? Wie kann man ein Team führen, ohne ständig disziplinarische Macht ausuzüben?

Idealerweise bringt ein Vorgesetzter die notwendige Autorität als Führungskraft mit. Gesucht wird die Begabung und die Fähigkeit, andere zu führen, ohne sich auf Macht und Hierarchie berufen zu müssen. Für dieses Führen ohne disziplinarische Macht hat sich der Begriff der lateralen Führung etabliert.

Und da wird es sehr herausfordernd: Es reicht nicht mehr, einfach Anordnungen zu geben. Wenn man sich nicht auf Macht berufen kann, muss man auf geschicktere Weise Einfluss nehmen. Das ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Denn es gibt einen Unterschied zwischen Einfluss nehmen und manipulieren. Manipulieren klappt nur kurzfristig und birgt das Risiko der Entdeckung – mit der Folge eines schwerwiegenden Vertrauensverlustes.

Einfluss nehmen heißt für diese Führungskräfte, andere von ihren Ideen und Vorschlägen zu überzeugen, Verständnis zu wecken, Akzeptanz zu schaffen. „Lateral“ wirkende Führungskräfte müssen die Arbeitsgruppe/das Team zusammen halten und Orientierung geben. Das erfordert Einfühlungsvermögen und kommunikatives Geschick. In der Folge wirken diese Führungskräfte glaubwürdig und integer.

Symmetrie der Gleichberechtigung

Der Versuch, top-down eine Entscheidung durchzusetzen, weil es scheinbar schneller geht, wird in Teams oder Projektgruppen sofort durch Verweigerung, Verhinderung oder Blockade bestraft. Die durch eine Ansage entstehende Asymmetrie wird sofort von den Kollegen bekämpft: Es wird versucht, die Symmetrie der Gleichberechtigung wieder herzustellen. Ausnahme: Notfälle, Zeitdruck und festgefahrene Situationen. In diesen Situationen werden schnelle Entscheidungen begrüßt.

Führung ohne Macht gelingt, indem Sie in der ganzen Kommunikation auf die innere Zustimmung der Beteiligten zielen. Alles ist Verhandlungssache, niemand kann gezwungen werden. Sie müssen versuchen, zu verstehen, welche die unterschiedlichen Positionen sind, wo es Unterschiede und wo Gemeinsamkeiten gibt. Sie müssen in Verhandlungen darüber eintreten, was der beste Weg zum Ziel.

Eine Möglichkeit, dies zu üben, bietet die folgende Variante einer strukturierten, kollegialen Beratung. Probieren Sie es aus – am besten anhand eines konkreten Problems in Ihrem Unternehmen:

  1. Stellen Sie das Problem in ihrer Projektgruppe dar. In der Regel ist es sehr hilfreich, das Problem zu visualisieren.
  2. Dann ermuntern Sie die Mitarbeiter, Fragen zu stellen. Achten Sie darauf, dass noch nicht diskutiert wird, sondern auf Fragen Antworten folgen.
  3. Wenn alle Fragen gestellt sind, sammeln Sie die Erklärungen der Kollegen für das Problem ein. Schreiben Sie alle ohne Ansehen der Person und unabhängig von ihrer persönlichen Meinung auf. Achten Sie darauf, dass auch hier noch nicht diskutiert wird. Damit es nicht endlos dauert, beschränken Sie die Zeit.
  4. Gehen Sie als Problemlieferant die verschiedenen Erklärungen durch und bewerten Sie diese aus ihrer Perspektive. Versuchen Sie, ein gemeinsames Erklärungsmodell zu erarbeiten.
  5. Danach beginnt die gemeinsame Lösungssuche auf der Grundlage der akzeptierten Erklärungen.

Dafür braucht man Nerven und Geduld. Ihre Aufgabe als Leiter ist es, diesen Prozess zu moderieren. Bitte nicht vergessen: zuhören heißt nicht zustimmen. Je unterschiedlicher die Gruppe, umso besser die Ergebnisse. Unterschiedlichkeit ist ein Wert, der bei diesem Vorgehen voll zum Tragen kommt. Es gibt ein gemeinsames Hochgefühl, wenn es Ihnen gelingt, die einzelnen Phasen zeitlich und inhaltlich zu begleiten. Selbstverständlich ist das nur ein Instrument, aber ein sehr effizientes.

Gleichzeitig wird bei lateralen Führungsaufgaben ein Führungsverhalten trainiert, das den zunehmend komplexer werdenden Aufgaben am ehesten entspricht. Insofern wird etwas abgefordert, was der Führungsstil der Zukunft sein wird. Das unterstützt eine aktuelle Untersuchung von 1541 Führungskräften aus 60 Ländern und 33 Branchen: Besonders erfolgreiche Unternehmen setzen vor allem auf Überzeugungskraft (58 Prozent). Nur 17 Prozent verlassen sich auf Anordnen und Kontrollieren (IBM Business Services, 2010).

Quelle: SPIEGEL Online