Der neue Chef und die Warum-Frage - Dr. Rüdiger Klepsch

Für gute Arbeit sollen Sie belohnt und Chef werden. Wie das geht und was Sie als Erstes tun – halb so wichtig. Zunächst ist eine andere Frage zentral: Warum wollen Sie den Führungsjob übernehmen? Managementberater Rüdiger Klepsch gibt Hinweise für die Zielelandkarte.

Fast vier Millionen Arbeitnehmer in Deutschland üben leitende Funktionen in Unternehmen aus, so das Statistische Bundesamt. Damit ist gut jeder siebte Mitarbeiter Chef von irgendwem, delegiert Aufgaben, muss Ergebnisse verantworten, ein Team führen. Ein anspruchsvoller Job – der nicht jedem liegt und dem nicht jeder gerecht wird.

Aber der Weg zu mehr Status und Gehalt führt in den meisten Unternehmen über die Führungskarriere. Trotzdem sollten Sie sich zuerst immer fragen: Warum will ich diesen Job machen? Erst dann können Sie sich dem Wie und letztlich dem Was zuwenden.

Dieses Vorgehen entspricht dem des britischen Autors Simon Sinek. Er hat das Konzept des „Golden Circle“ entworfen und analysiert, was besonders erfolgreiche Menschen tun, um sich und andere zu inspirieren.

Nehmen wir Martin Luther King. Er sagte nicht: „I have a plan…!“ Er sagte: „I have a dream…!“ Auch hier: Warum mache ich etwas? Was sind die Motive, die mich treiben? Dahinter steht, dass Menschen sich nicht durch rein kognitiv erstellte Pläne und Listen begeistern lassen.

Menschen können nicht allein mit dem Kopf entscheiden. Es sind immer emotional gebundene Entscheidungen, die wir treffen; auch die Entscheidung, sich voll und ganz hinter berufliche Ziele zu stellen.

Die Zielelandkarte: Plötzlich ist alles Chefsache

Wie komme ich nun zu dem Warum? Machen Sie ein erstes Brainstorming mit sich selbst oder Vertrauten: Warum wollen Sie den Job machen? Konzentrieren Sie sich nicht auf die gewünschten Resultate, sondern auf das, was Sie motiviert, die Führung in der Abteilung zu übernehmen. Das Warum sollte Ihr emotionales Interesse widerspiegeln.

Um dieses Warum weiter mit Leben zu füllen, sollten Sie nicht in Ihrem Kämmerchen sitzen bleiben und hirnen, sondern folgende klärende Gespräche führen:

  • Reden Sie mit Ihrem Chef
    Welche Erwartungen hat er/sie? Gibt es versteckte, nicht formulierte Hoffnungen?
  • Reden Sie mit Ihrem Lebenspartner
    Welche Erwartungen gibt es im privaten Umfeld? Die Lebensbasis darf nicht vernachlässigt werden. Welche Absprachen sollen für die nächste Zeit gelten, damit Sie sich unbeschwert in der neuen Rolle orientieren können?
  • Lernen Sie Ihre Mitarbeiter kennen
    Versuchen Sie sich durch systematische Einzelgespräche (unter vier Augen) ein Bild von Ihrem Team und der internen Rollenverteilung zu machen, auch von den Erwartungen, insbesondere an Sie. Wer hat welche Ziele? Welche Kompetenzen finden Sie vor – und welche lassen sich noch entwickeln?
  • Vitamin B ist kein einzelnes Vitamin, sondern ein ganzer Komplex
    Bekommen Sie zügig heraus, welche Personen für Ihre Arbeit und den Erfolg Ihrer Abteilung relevant sind. Suchen Sie aktiv das Gespräch zu allen. Nach diesen Gesprächen wird sich das erste Brainstorming-Ergebnis deutlich erweitert haben. Entwickeln Sie eine verbindliche Warum-Wie-Was-Zielelandkarte!

Die Ziele ergeben sich aus einem Zusammenspiel der Erwartungen, die Ihr Vorgesetzter an Sie hat, die Sie an sich selbst haben, die Kollegen an Sie haben, Ihr Lebenspartner an Sie hat. Dann heißt es, diese Zielelandkarte zu kommunizieren. Was Sie tun sollten:

  • Bringen Sie Ihr Team hinter sich
    Mit einer Zielelandkarte erhalten Sie Transparenz und Klarheit und im Idealfall einen emotionalen Background für Ihre Ziele. Damit bringen Sie Ihre Mannschaft dauerhaft hinter sich. Als Spezialist für ein Thema waren Sie es gewohnt, Details zu beherrschen und alles selbst zu machen. Als Chef ist das nicht mehr Ihre Aufgabe – jetzt heißt es delegieren. Lernen Sie also, Ihrer Mannschaft zu vertrauen.
  • Zeigen Sie Gefühle
    Interesse sollte man nicht nur haben, sondern auch zeigen. Loben Sie, sagen Sie, wenn Ihnen etwas nicht gefällt. Gratulieren Sie zum Geburtstag, interessieren Sie sich für die Kollegen. Zeigen Sie Freude, zeigen Sie Ärger. Und zwar respektvoll.
  • Der Quick-Win-Trick
    Besetzen Sie Themen, die Ihnen und Ihrem Team schnelle Erfolge sichern.
  • Was Sie lassen sollten:
    Bitte keine emotionalen Äußerungen über den Vorgänger. Werben Sie um Vertrauen. Beschwerden oder Lästereien über Ihren Vorgänger sind tabu. Auch ständige Rückblicke wie „Früher haben wir das immer so und so gemacht!“ werden abgestraft.

Und vergessen Sie nicht, erfolgreiche Führungskräfte brauchen drei wesentliche Dinge: Sie müssen Ziele haben. Sie müssen Interesse an anderen Menschen haben. Und Sie müssen in der Lage sein, Gefühle zu zeigen. Auf geht’s!

Quelle: Spiegel Online