Kritik vermiest oft das Arbeitsklima – obwohl sie doch Missstände beheben soll. Wer mit Erfolg tadeln will, darf den Getroffenen nicht als Verlierer erscheinen lassen. Systemisches Institut Hamburg verrät Faustregeln für Kritik ohne zerschlagenes Porzellan.
Lautes Reden im Großraumbüro, Gelaber in Sitzungen, Anpampen ohne Anlass, zurückgehaltene Informationen… Solche Situationen gehören zum Arbeitsalltag: Man ist genervt, weil andere sich nicht so verhalten, wie man möchte. Unter Kollegen folgt dann häufig – nichts!
Schade. Denn dadurch trainiert man weder zu kritisieren, noch verändert sich etwas an den nervtötenden Auslösern.
Das kann man besser hinkriegen. Zum einen geht es darum, überhaupt den Mund aufzumachen. Und dann sollte man es so tun, dass aus einem negativen Feedback kein destruktives Streitgespräch wird. Wie unser Gegenüber auf Kritik reagiert, darauf haben wir zwar keinen Einfluss. Es gibt jedoch Möglichkeiten, einem anderen unsere Kritik so mitzuteilen, dass es ihm leichter fällt, sie anzunehmen.
Konstruktive Kritik vermittelt, dass Sie Ihr Gegenüber ernst nehmen. Wenn Sie also jemanden in dieser Weise ernst nehmen, fassen Sie die Kritik kurz und erklären Sie anhand eines konkreten Beispiels, was Sie stört. Hilfreich ist dieser „Dreiklang“:
- Ich habe beobachtet…
- Das löst in mir aus…
- Daher beurteile ich die Situation…
Ihr Gesprächspartner wird nun seine Beobachtung, seine Interpretation und seine Beurteilungen haben. Was tun? Es gibt keinen Richter. Jeder konstruiert sich seine Wirklichkeit: Stellen Sie sich vor, auf dem Boden liegt eine große Sechs vor Ihnen. Stellt sich Ihr Gesprächspartner Ihnen gegenüber, sieht er eine Neun.
Wenn sie sich nun streiten, wer denn recht hat, wird es keine Lösung geben. Wechseln Sie die Perspektive und verstehen Sie, warum der andere die Neun sieht. Keine Sorge: Verstehen heißt ja noch nicht zustimmen.
Also: Schildern Sie zunächst den Sachverhalt, der Anlass zur Kritik gegeben hat, so ausführlich und bildhaft wie möglich. Benennen Sie alles beim Namen: Tag, Uhrzeit, Thema, auch wichtige Details.
Schwingen Sie sich nicht zum Hobby-Psychologen auf!
Kritisieren Sie daran nur das Verhalten, nicht die Person selbst. Die Person selbst kennen Sie nicht, Sie haben nur die Beobachtungen zu ihrem Verhalten gemacht. Und dieses Verhalten sehen Sie noch durch Ihre ganz persönliche Brille. Wenn Sie sich auf dieser höchst wackeligen Grundlage zum Hobby-Psychologen aufschwingen, geben Sie vor, etwas zu durchschauen, was Sie gar nicht durchschauen können. Wenn Sie andere kritisieren, sollten Sie gerade bei Kollegen darauf achten, dass Sie sich nicht über sie stellen.
Suchen Sie schließlich gemeinsam nach einer Lösung und suchen Sie einen Kompromiss. Es ist wichtig, dass Sie nicht nur ein einseitiges Entgegenkommen des Gegenübers erwarten, sondern auch selbst etwas anbieten. Denn der „Fehler“ des anderen ist so oder so auch Ihr Problem.
Äußern Sie Ihre Wünsche, und zwar so konkret wie möglich. Vermeiden Sie dabei Appelle wie: „Sie müssen endlich einmal…“, „Sie sollten…“, „Sie dürfen nicht mehr…“. Bei derlei Vorschriften klappen in der Regel die Ohren des Gegenübers zu.
Worauf Sie noch achten sollten:
- Wählen Sie eine günstige Zeit; denn ist der Kritisierte in Zeitnot, wird er womöglich nur mit halbem Ohr zuhören. Wenn Sie emotional aufgewühlt sind, erst einmal beruhigen: In der Wut sagt man schnell Dinge, die einem später leidtun. Einmal drüber schlafen! Zeitnah, aber nicht unbedingt unmittelbar kritisieren, heißt die Devise. In Gegenwart Dritter verbietet sich persönliches kritisches Feedback, um ihren Gesprächspartner nicht vor anderen bloßzustellen.
- Keine Ironie, das verstehen viele nicht oder wollen es nicht verstehen. Ironie verhindert oft eine klare Kommunikation. Aus demselben Grund sollte die Kritik nicht versteckt im Vorbeigehen geäußert werden.
- Und sprechen Sie die unangenehmen Dinge sofort, direkt, freundlich und offen an. Kommen Sie sofort zum Punkt. An dieser Stelle verbietet sich Small Talk. Verallgemeinernde Vorwürfe wie „Sie machen immer solche Fehler“ führen auch nicht zur Klarheit. Vielmehr fühlt sich der andere dadurch als Person angegriffen und reagiert mit Abwehr.
Die Chancen, dass Ihr Feedback eine für beide positive Entwicklung nimmt, sind am größten, wenn es am Ende des Gesprächs erkennbar zwei Gewinner gibt. Wer sich einfach nur abreagiert, mag kurzfristig als Sieger hervorgehen und einen Verlierer hinterlassen. Aber über die Zeit werden daraus zwei Verlierer.
Quelle: SPIEGEL Online