Brauchen Unternehmen einen neuen Führungsstil?
Agile Führung oder auch agiles Management sind Begriffe, die immer häufiger in Unternehmen auftauchen. Mit ihr ist die Führung gemeint, die mit wenig Vorschriften und Bürokratie arbeitet, um so Flexibilität und Schnelligkeit in der Ideengewinnung sowie Produktivität zu erreichen. Oftmals wird vergessen, dass eine agile Führung im Grunde nichts Neues ist. Erfolgreiche Führung hatte schon immer Anteile, die agil waren. Es handelt sich bei dieser Führung um eine Grundhaltung der Führungskraft, die es ihr ermöglicht, in verschiedenen Situationen angemessen die Potenziale von Teams zu nutzen und sie für die anstehenden Projekte und komplexe Herausforderungen zu begeistern. Teams werden hinsichtlich ihrer Gruppendynamiken prozesshaft geführt, was es ermöglicht, die verschiedenen Sichtweisen der Mitarbeitenden zu nutzen, um nachhaltige Lösungen zu erarbeiten.
Hersey und Blanchard zeigten bereits in ihren Theorien der situativen Führung, dass Führungskräfte je nach Situation und Reifegrad unterschiedlich führen sollten. Diese Führungssituationen unterscheiden sich darin, ob sie ungewiss (riskant, unsicher und nicht berechenbar), überschaubar oder planbar sind. Vor allem in den sich ständig verändernden Zeiten einhergehend mit neuen Herausforderungen, ist es lebensnotwendig und wichtig, schnell und flexibel zu agieren. Somit scheint auch die Komplexität für viele Führungskräfte zu steigen. Aber nicht nur, weil die Situationen wirklich komplex sind, sondern auch, weil erhöhte Ansprüche an Lösungen erhoben werden (z. B. durch Perfektionismus). Eine Ungewissheit besteht häufig bezüglich des Changemanagements bei strategischen Fragen oder Situationen, in denen schnell gehandelt werden soll, jedoch verschiedene Interessen aufeinandertreffen. Hier ist die agile Führung eine gute Option zur unsicheren oder nicht möglichen Planung.
Die moderne situative Führung lässt sich mit dem Modell von „Klaus Kissel aus Führen 3.0“ darstellen. Die erste Situation benötigt es zu agieren. Die Situation ist ungewiss und die Führungskraft ist als Entscheider und expertenorientierter Leiter gefragt, der vor eindeutigen Entscheidungen und autoritären Anweisungen nicht zurückschreckt.
Die zweite Situation erfordert es zu delegieren und lehren. In ihr handelt die Führungskraft als Experte oder die Verantwortung wird an einen Experten des Teams delegiert. Dabei ist es auch nötig, dass die Führungskraft die eigene Expertise an seine Mitarbeiter weitergibt.
In der dritten Situation geht es darum, zu managen. Die Situation ist überschaubar und planbar. Somit sollte die Führungskraft prozesshaft führen, um alle Mitarbeitenden mitzunehmen und die Intelligenz des Teams erfolgreich zu nutzen.
Die vierte Situation benötigt ein agiles Vorgehen. Vor allem wenn Situationen komplex, unklar und ungewiss sind, sollte die Führungskraft prozesshaft führen. Das heißt, dass die Umsetzung relativ schnell anfängt und im weiteren Verlauf durch ausprobieren, reflektieren, scheitern und verbessern dazu gelernt wird. Hier ist nicht der Weg wichtig, nur das Ergebnis zählt.
Eine kurze Zusammenfassung, wann agile Führung sinnvoll ist:
- Bei sehr vielen Einflussfaktoren, die unberechenbar oder sehr komplex erscheinen
- Wenn die eigene Expertise hinterfragt wird oder nicht zur Lösung führt
- Die Führungskraft auf die Intelligenz des Teams vertrauen kann
- Die agilen Vorgehensweisen eine gute Option zur Planung sind, um z. B. neue Ideen zu generieren.
Dabei sollte die Haltung der agilen Führungskraft deutlich machen, dass sie sich mit dem Team bewegen möchte bzw. dieses in Bewegung bringen möchte. Sie sollte einen Rahmen setzen und diesen begleiten sowie Entscheidungen treffen oder auch einfach nur zum Ende hin herbeiführen.
Quelle: Beck, G., Urunc, N., Kissel, K. (2016). Agile Führung von Teams – ist das wirklich neu? Systemisch gedacht und systemisch gemacht: Supervision, Coaching und Organisationsentwicklung. DGSF, 46-51.