Der Dezember rückt näher, da ist es wieder so weit: Das Jahresendgespräch steht an. Vielen Mitarbeitern geht es dabei nur ums Geld – doch auch andere Fragen sollten unbedingt thematisiert werden. Das Systemische Institut Hamburg verrät, wie Sie sich am besten vorbereiten.

Viele Chefs unterschätzen die Bedeutung von Gesprächen mit ihren Mitarbeitern. Dabei helfen sie ungemein. Vor allem wenn Veränderungen im Unternehmen anstehen, bedarf es einer besonderen Form der Kommunikation: 60 bis 90 Minuten für die Motivation des einzelnen und eine bessere Zusammenarbeit im Team – ist das zu viel?

Einmal im Jahr blicken Vorgesetzte und Mitarbeiter deshalb auf die vergangenen zwölf Monate zurück – und in die Zukunft hinein. Natürlich soll dies nicht die Gespräche während des Jahres ersetzen. Im Gegenteil: Durch ein gut vorbereitetes Jahresendgespräch werden sie perfekt ergänzt.

Die meisten Mitarbeiter nehmen die Gelegenheit zum Austausch mit dem Chef gerne wahr. Denn selbst dort, wo die Kommunikation klappt, bleibt das Gespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter in der Hektik des Berufsalltages oft auf das aktuelle Tagesgeschäft beschränkt.

Das Jahresmitarbeitergespräch bietet da die Möglichkeit, in Ruhe Arbeitsaufgaben und Arbeitsbedingungen zu besprechen und Ideen der Beschäftigten stärker in den Arbeitsablauf einzubinden. Es dient dazu, Probleme und Missverständnisse, die bei der Arbeit aufgetaucht sind, zu klären. Und nicht zuletzt können auch die Zusammenarbeit mit Kollegen und das Führungsverhalten des Vorgesetzten thematisiert werden.

Wie sage ich es nur dem Chef?

Bei einigen Mitarbeitern löst der anstehende Termin aber auch Sorgen aus: Muss ich dann meinem Chef sagen, was ich von ihm halte? Und welche Konsequenzen hat das dann für mich? Klare Regeln, die vorab betriebsweit vereinbart werden, helfen da weiter.

Jedes Unternehmen sollte deshalb einen spezifisch passenden Ablauf für Jahresendgespräche entwickeln. Bewährt hat sich dabei eine Struktur nach folgendem Muster:

  • Wie läuft das folgende Gespräch ab? (Erläuterung von Gesprächsziel und -ablauf)
  • Was ist mit den Zielvereinbarungen geschehen? (Ermittlung der bisherigen Zielerreichung, wenn im Jahr zuvor ein Gespräch geführt wurde, evtl. gemeinsames Erarbeiten der Gründe für die Zielabweichung)
  • Wie geht es Ihnen in der Abteilung/im Betrieb?

Im Einzelnen kann es um die Themen Organisation der Arbeitsabläufe, Überforderung, Unterforderung des Mitarbeiters, personelle Veränderungen, neue Projekte gehen – oder aber um die Gestaltung des Arbeitsplatzes, technische Ausstattung, Arbeitssicherheit, gesundheitliche Belastungen und Arbeitszeitregelung. Eventuell werden auch private Probleme eingebracht.

  • Wie habe ich Sie im letzten Jahr in der Zusammenarbeit erlebt? – Wie haben Sie mich in der Führung wahrgenommen? (Feedback zur Zusammenarbeit in beide Richtungen)
  • Welche Ziele machen aus Ihrer Sicht/aus meiner Sicht eingedenk unseres Gesprächs und der zu erwartenden betrieblichen Entwicklung Sinn? Welche vereinbaren wir? (Ziele für die kommenden zwölf Monate aus Sicht der Führungskraft und des Mitarbeiters bezogen auf Fortbildung, Verhalten, technische Ausstattung. Dazu gehören Vereinbarungen zu den Voraussetzungen und notwendigen Hilfestellungen.)

Es hängt von den betriebsinternen Vereinbarungen ab, aber in der Regel geht es in den Zielvereinbarungen um andere Ziele, als um die, die während des laufenden Jahres in der Zusammenarbeit vereinbart werden. Bewährt hat sich, Ziele konkret, ergebnisorientiert und realistisch zu formulieren und nicht mehr als zwei, drei Ziele zu vereinbaren.

Was habe ich als Mitarbeiter davon?

Zunächst die Perspektive des Mitarbeiters: Nehmen wir an, Sie müssten Ihrem Chef aus Ihrer Sicht einige bittere Wahrheiten vermitteln. Dann ist hier die Chance. Aber bereiten Sie sich gut vor! Konkret heißt das, dass Sie für alles, was Sie vortragen, Beispiele parat haben müssen. Und natürlich müssen Sie sich emotional unter Kontrolle haben.

Gelingt das Gespräch, erfahren Sie auch die Perspektive Ihres Chefs – und damit ist der Weg zu einer neuen Zusammenarbeit geöffnet. In jedem Fall erfahren Sie, wie Ihr Vorgesetzter Sie sieht. Sie mögen es anders sehen, doch wegargumentieren können Sie es nicht. Also ist es zumindest gut zu wissen, woran man ist.

Es mag überraschend klingen: Doch Mitarbeitergespräche sind selbst dann hilfreich, wenn es keinen Handlungsspielraum und keine Entwicklungsperspektive gibt. Auch eine realistische Sicht auf die Entwicklungs- oder Nicht-Entwicklungsmöglichkeiten schafft Transparenz – und eventuell Mobilität. Besser ein Mitarbeiter, der kündigt, weil er keine Perspektive hat, als ein latent unzufriedener Mitarbeiter, der sich hingehalten und unter Wert behandelt fühlt, und damit die Stimmung der Kollegen mit runter zieht.

Was habe ich als Führungskraft davon?

Nun die Perspektive des Chefs: Wann haben Sie in der Hektik des Alltags schon die Möglichkeit, gut vorbereitet und damit potentiell konstruktiv Ihre Einschätzungen und Zielsetzungen offen, systematisch, fundiert, ohne Zeitdruck auszutauschen? Die Chance sollten Sie unbedingt nutzen!

Natürlich sind nicht alle Mitarbeiter für solche Gespräche zu gewinnen. Vor allem, wenn das Klima in der Firma schlecht ist oder erhebliche Umstrukturierungen anstehen, gibt es Ängste. Vorgesetzte sind gut beraten, wenn sie im Jahresendgespräch den Mitarbeitern die Möglichkeit geben, Ängste anzusprechen. Das Ernstnehmen wird in der Regel durch Vertrauen und Motivation belohnt.

Menschen brauchen Ziele und wollen Leistung erbringen. Mit den Mitarbeitergesprächen erwächst dem Chef die Chance, seine Leute durch konkrete Zielvereinbarungen zu motivieren.

Allerdings sollten Sie sich als Chef stets einer Sache bewusst sein: Keiner ist unfehlbar! Daher bekommen auch Sie von Ihren Mitarbeitern in diesen Gesprächen Rückmeldung zu Ihrem Führungsverhalten, wenn Sie danach fragen.

Was hat das Unternehmen davon?

Abschließend noch ein Blick auf die Vorteile, die Mitarbeitergespräche für das Unternehmen bedeuten: In allererster Linie hilft der gegenseitige Austausch, Zusammenarbeit zu optimieren, er erleichtert die Weiterentwicklung jedes einzelnen Arbeitnehmers – und er zwingt alle Beteiligten, ihre Ziele zu überprüfen. Außerdem bietet das Gespräch Gelegenheit, sensible Themen aufzugreifen.

Zugegeben, die Gespräche brauchen Zeit. Auf der anderen Seite spart man aber auch viel Zeit, die andernfalls für zusätzliche Abstimmungsprozesse, Demotivation und eventuell auftretende Konflikte verloren geht. Und so manches Mal werden Chefs ihre Mitarbeiter im neuen Licht sehen und ungeahnte Potenziale entdecken.

Kommunizieren heißt zuhören

Aber Achtung: Auf die Atmosphäre kommt es an! Notwendig ist deshalb gute Vorbereitung, eine ruhige, ungestörte Atmosphäre ohne Zeitdruck (rechtzeitig terminieren) und ein roter Faden im Gespräch.

Der Nutzen erschließt sich, wenn die Gespräche auf beiden Seiten – zumindest aber auf der Seite des Vorgesetzten – mit hoher kommunikativer Fertigkeit geführt werden. Dazu gehört das Zuhören. Sie müssen nicht immer zustimmen, aber Sie müssen zuhören!

In vielen Firmen werden die Inhalte des Mitarbeitergesprächs systematisch erörtert. Es gibt standardisierte Vordrucke. Die Art der Gesprächsführung, Ziele, Inhalte – und Zeitpunkt für die Gespräche – sind nach einem unternehmens- einheitlichen Konzept strukturiert. Dieses Vorgehen kann bei Vorbereitung und Durchführung Zeit sparen. Aber: Mitarbeiter registrieren sehr genau, wenn Manager nicht nachfragen und kein echtes Interesse für ihre Belange zeigen. Die Folge: Demotivation und Langeweile mit der Konsequenz , dass die Bereitschaft zum Gespräch im nächsten Jahr sinkt.

Ein besonderer Fall sind junge Führungskräfte, die zum ersten Mal ein Jahresmitarbeitergespräch führen. Bei ihnen ist oft extreme Unsicherheit zu beobachten. Hilfreich ist es daher, wenn die Führungskräfte trainiert werden, sich gut vorzubereiten und bei der Durchführung gut zuzuhören. Dann können auch junge Chefs das Mitarbeitergespräch und die Nachbearbeitung professionell durchführen.

Quelle: SPIEGEL Online