Millionen Deutsche leiden unter Prüfungsangst – ob bei der Klausur an der Uni oder der Präsentation beim Chef. Aber was lässt sich gegen Herzrasen, feuchte Hände und Übelkeit tun? Systemische Managementberater Rüdiger Klepsch gibt die wichtigsten Tipps.
Es ist eine erschreckende Zahl: Rund 40 Prozent der Studierenden leiden unter starker Prüfungsangst. Und die Zeit der Prüfungsängste ist für viele Menschen auch noch nicht vorbei, wenn sie im Berufsleben angekommen sind. Sie kämpfen bei Auswahlprozessen, Bewerbungsgesprächen und Präsentationen weiter mit Herzrasen, feuchten Händen, Übelkeit, Schweiß und stockendem Atem. Im schlimmsten Fall haben sie sogar einen Blackout.
Prüfungsangst ist eine Form der sozialen Bewertungsangst: Angst vor dem Gesichtsverlust. Häme, Spott und Statusverfall prägen innere Bilder über eine katastrophale Entwicklung. Diese Bilder lösen dann die Ängste aus.
Gefährdet sind
- Perfektionisten,
- Menschen, die sich ständig kontrollieren,
- Menschen, die Misserfolgserlebnisse hatten und anschließend diese oder ähnlich Situationen gemieden haben.
Prüfungsangst ist kein Schicksal, sondern meist unbewusst erlernt worden. Oft geht sie auf negative Kindheitserfahrungen zurück oder auf einzelne Situationen starker Überforderung. Aber: Was erlernt worden ist, kann man auch wieder verlernen.
Was ist also zu tun?
Zahlreiche Psychologen und Lernforscher haben sich bereits mit dem Problem beschäftigt. Einhellig raten sie zu folgenden Gegenmaßnahmen:
Fangen wir mit den Basics an:
- Informieren Sie sich über Aufbau und Ablauf der Prüfung.
- Beginnen Sie rechtzeitig mit dem Lernen und planen Sie genug Pausen ein. Der Spaß sollte ebenfalls nicht zu kurz kommen. So bleibt die Motivation.
- Vergewissern Sie sich zwischendurch über Lernerfolge. Das gibt Selbstvertrauen.
- Ganz wichtig: Negative Gedanken sollten aktiv durch positive ersetzt werden. Immer dann, wenn die Panikbilder hochkommen, stellen Sie sich lieber vor, wie Sie nach bestandener Prüfung mit Ihren Freunden feiern.
- Am Abend vor der Prüfung nichts mehr büffeln! Das übernimmt schon Ihr Hirn im Schlaf. Abschalten und Entspannen sind jetzt viel wichtiger für die Psyche.
Kommen wir nun zu den Maßnahmen, die wirken müssen, weil der Körper gar nicht anders kann. Sobald Sie erkennen, wie der Stresspegel steigt, nehmen Sie sich eine kurze Auszeit. Setzen oder stellen Sie sich einfach aufrecht hin, die Schultern gerade, legen Sie Ihre Hand auf den Bauch und versuchen Sie nur durch die Nase dorthin zu atmen – möglichst, ohne dass sich der Brustkorb hebt.
Atmen Sie nach der 4-6-8-Methode: Langsam und tief einatmen, bis vier zählen, die Luft anhalten, bis sechs zählen, langsam durch den Mund ausatmen und bis acht zählen. Das Ganze wiederholen Sie mindestens fünf Mal. Mit der Zeit werden Sie die Hand nicht mehr brauchen.
Dafür können Sie mit der Übung Stress genauso wegatmen wie Frust oder Wut. Diese Bauchatmung funktioniert, weil die Lunge im unteren Drittel besonders gut durchblutet ist. Sie kann so besonders viel Sauerstoff aufnehmen. Neben der Stimmung verbessert sich auch die Denkleistung.
Manchmal hilft nur noch Bewegung: Steigen Sie Treppen hoch und runter, machen Sie Kniebeugen oder Liegestütze oder wenn möglich, gehen Sie eine Runde stramm um den Block. Oft fährt danach der Stresslevel automatisch wieder runter.
Die neueste Methode haben zwei Forscher der Universität Chicago entwickelt: Zehn Minuten vor dem Test schreiben Sie Ihre Sorgen und schlimmsten Szenarien auf einen Zettel. Danach beginnen Sie mit der „Prüfung“. Das wirkt nachweislich angstreduzierend.
Es funktioniert, weil die Prüfungsangst und der dabei entstehende Stress enorm unser Kurzzeitgedächtnis belasten. Genau diesen Teil des Gehirns brauchen wir aber, um Prüfungsaufgaben lösen zu können. Das Schreiben verhält sich dann wie eine externe Festplatte: Es speichert den Stress extern zwischen – und der Kopf ist wieder frei für den eigentlichen Test.
Viel Erfolg!
Quelle: SPIEGEL Online